Jagdunfall - Plausibilität zum Unfallhergang

Rekonstruktion, Ballistik und Unfallverhütung

Ziel eines Gutachtens soll sein, alle Indizien abzuwägen und die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Suizides bzw. Unfalls darzustellen.

Insbesondere interessiert häufig die Klärung folgender Fragen:

  1. Wie wird normalerweise ein Gewehr von einem erfahrenen Jäger getragen?
  2. Ist es möglich, dass sich bei einem Sturz oder einem Aufstützen auf die Waffe ein Schuss löst?
  3. Ist davon auszugehen, dass die zum Gewehr passende und zugelassene Munition verwendet wurde, die eine Schwere einer Verletzung erklärt?
  4. Wie genau ist der Schusskanal zu beschreiben?
  5. Kann anhand der beschriebenen Verletzungen der Rückschluss gezogen werden, dass es sich um einen aufgesetzten Schuss handelte?
  6. Ist es bei Berücksichtigung der anzunehmenden Armlänge des sowie des Jagdgewehrs grundsätzlich möglich, dass sich ein Geschädigter Verletzungen selbst zugefügt hat?

Wundballistik

Direkte Gewebszerstörung kinetischer Energie. Die Morphologie eines Defekts im Körper, welcher durch Geschossverletzung entsteht, kann Aussagen über vielerlei Parameter liefern. So können sich Hinweise bezüglich der Schussentfernung, dem Winkel des Auftreffens oder der Beschaffenheit des Projektils ergeben.

Suizidtypische Region

Schläfe, Mund, Herzgegend, Stirn, submental

Innenballistik

Die Innenballistik beschreibt die Vorgänge innerhalb einer Waffe.

Abgangsballistik

Die Abgangsballistik beschreibt die Vorgänge des Geschosses an der Laufmündung.

Außenballistik

Die Außenballistik beschreibt den Flug eines Geschosses und ist für die forensische Beurteilung von Schussverletzungen ein wichtiges Teilgebiet, da man durch Berechnungen der Flugbahn, Schussentfernung, Auftreffwinkel usw. mögliche Rückschlüsse auf den Tathergang ziehen kann.

Endballistik (Wundballistik)

Die Endballistik beschreibt die Interaktion von Geschoss und Zielobjekt.

Unfallverhütungsvorschriften Jagd - Auszüge, Zitate…

§ 1 Grundsätze

Diese Unfallverhütungsvorschrift gilt für den Umgang mit Waffen und Munition sowie für die Ausübung der Jagd.

§ 2 Waffen und Munition

Es dürfen nur Schusswaffen verwendet werden, die den Bestimmungen des Waffengesetzes entsprechen und nach dem Bundesjagdgesetz für jagdliche Zwecke zugelassen sind. Die Waffen müssen funktionssicher sein und dürfen nur bestimmungsgemäß verwendet werden.

§ 3 Ausübung der Jagd

Schusswaffen dürfen nur während der tatsächlichen Jagdausübung geladen sein. Die Laufmündung ist stets - unabhängig vom Ladezustand - in eine Richtung zu halten, in der niemand gefährdet wird. Nach dem Laden ist die Waffe zu sichern. Eine gestochene Waffe ist sofort zu sichern und zu entstechen, falls der Schuss nicht abgegeben wurde. Beim Besteigen von Fahrzeugen und während der Fahrt muss die Schusswaffe entladen sein. Beim Besteigen oder Verlassen eines Hochsitzes, beim Überwinden von Hindernissen oder in ähnlichen Gefahrlagen müssen die Läufe (Patronenlager) entladen sein. Ein Schuss darf erst abgegeben werden, wenn sich der Schütze vergewissert hat, dass niemand gefährdet wird. Durchführungsanweisung zu Absatz 4

Eine Gefährdung ist z. B. dann gegeben, wenn

  • Personen durch Geschosse oder Geschoßteile verletzt werden können, die an Steinen, gefrorenem Boden, Ästen, Wasserflächen oder am Wildkörper abprallen oder beim Durchschlagen des Wildkörpers abgelenkt werden,
  • beim Schießen mit Einzelgeschossen kein ausreichender Kugelfang vorhanden ist.

Bei einer mit besonderen Gefahren verbundenen Jagdausübung ist ein Begleiter zur Hilfeleistung mitzunehmen.

Durchführungsanweisung zu Absatz 6
Besondere Gefahren können sich ergeben z. B. durch Witterungs-, Gelände- und Bodenverhältnisse, vor allem im Hochgebirge, auf Gewässern und in Mooren oder bei der Nachsuche auf wehrhaftes Wild.

Die Waffe ist außerhalb des Treibens stets ungeladen, mit geöffnetem Verschluss und mit der Mündung nach oben oder abgeknickt, zu tragen. Bei schlechten Sichtverhältnissen hat der Jagdleiter die Jagd einzustellen.

Diese Grundsätze gelten auf jagdlicher Ebene, nicht nur innerhalb Deutschlands, diese können insbesondere gleichgelagert auf EU-Ebene (EU-Mitgliedstaaten) übertragen werden. Ein Aufstützen auf dem Gewehrkolben, bspw. um sich durch Gelände zu bewegen, gilt unter vorgenannten und anerkannten Gesichtspunkten als vorsätzlich bzw. grob fahrlässig und widerspricht absoluten sicherheitsrelevanten Aspekten einer ordnungsgemäßen Einhaltung der jagdlichen und waffenrechtlichen Vorgaben. Die Waffe muss jederzeit sicher transportiert/ getragen werden, insbesondere wenn Hindernisse, unwegsames oder gefahrbringendes Gelände (nasser Boden, Steine, Gefälle, Dunkelheit usw.) das sichere Begehen und Durchschreiten gefährden oder gefährden könnte. Grundsätzlich wird ein Gewehr kurz vor, also unmittelbar vor der Schussabgabe entsichert (geladen, Patrone im Patronenlager, schussbereit und entsichert).

Möglichkeiten zur Waffensicherung

Waffensicherungen ermöglichen, eine Waffe möglichst sicher zu führen.

Abzugssicherungen

Bei einer Abzugssicherung wirkt eine Sperre auf eines oder mehrere Bauteile der Mechanik des Abzugsystems.

Schlagbolzensicherungen

Die Schlagbolzensicherung blockiert den Schlagbolzen. Damit wird das letzte Bauteil in der Kette blockiert, welche zur Schussabgabe führt.

Handspannung

Da die Waffe bei einem Handspannsystem zwar geladen, das Schloss aber nicht gespannt ist, lassen sich diese Waffen universell für alle Jagdarten einsetzen.

Weitere wesentliche sachverständige Aspekte:

Temporäre Wundhöhle

Hohlmantel
Hydrodynamischer Sprengeffekt
flüssigkeitsgefüllte Hohlorgane (z.B. Herz, Blase)
flüssigkeitsreiche Organe (Gehirn)
Infolge Inkompressibilität des „Wasseranteils“: Zerreißungen der Hohlorgane bzw. Berstung

Schussformen

Streifschuss
Prellschuss (< 0,1 J/ mm2)
Steckschuss
Gellerschuss (Abpraller) / Rikoschett (abgeknickter Schusskanal)
Durchschuss (Sonderform: 2 Segment Treffer)
Krönleinschuss (hydrodynamischer Sprengeffekt)

Schussentfernung

Absoluter Nahschuss - aufgesetzte Waffe: Stanzmarke u. Schmauchhöhle, evtl. strahlige Platzwunden über knöchernen Widerlagern (Kopfschuss), Abstreifring und Kontusionssaum können fehlen.

Kriminalistische Aspekte
Suizid

  • Eine Schussverletzung
  • Einschusslokalisation erreichbar (Schläfe, Mund)
  • Waffe zumindest in der Nähe
  • Schusshand mit Schmauchnachweis
  • „Backspatter“ an Schusshand

Homizid

  • Mehrere Schussverletzungen
  • Einschusslokalisationen verteilt
  • Waffe abhanden oder vorhanden
  • Schusshand ohne Schmauch und Blutspuren